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Aug 13, 2024
Digitale Barrierefreiheit – ein großes Thema, das viele Fragen aufwirft.
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Wir erklären, warum Barrierefreiheit so wichtig ist, welche Anforderungen das Gesetz an Bankdienstleistungen stellt und welche Vorteile barrierefreie Software bietet.
Was versteht man unter digitaler Barrierefreiheit?
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass digitale Inhalte, Anwendungen und Technologien so gestaltet werden, dass sie für alle Menschen – auch für Menschen mit Beeinträchtigungen – nutzbar sind. Dazu gehört, dass niemand aufgrund von körperlichen, sensorischen, kognitiven oder anderen Einschränkungen ausgeschlossen wird. Ziel der digitalen Barrierefreiheit ist es, die digitalen Barrieren zu reduzieren oder zu beseitigen, um eine gleichberechtigte Nutzung zu ermöglichen.
Wenn digitale Lösungen barrierefrei gemacht werden, können Menschen mit Beeinträchtigungen besser an der Bildung, am Arbeitsmarkt und an anderen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens teilhaben, was letztlich die Innovation in der Wissenschaft und die wirtschaftliche Entwicklung fördert. Auch der Zugang zu finanziellen Dienstleistungen, die einen wesentlichen Bestandteil unseres täglichen Lebens ausmachen, wird dadurch erleichtert und ermöglicht eine größere Selbstbestimmung.
Warum ist digitale Barrierefreiheit für alle wichtig?
In der EU haben 101 Millionen Menschen im Alter von über 16 Jahren eine Beeinträchtigung - das sind 27% oder auch 1 von 4 Menschen. Man geht davon aus, dass 80 % der Fälle von Beeinträchtigungen auf die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen sind.
Je älter eine Person wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Beeinträchtigung vorliegt. Bei der Altersgruppe von über 65 Jahren haben bereits mehr als 50% der Menschen eine Form von Beeinträchtigung. Der Bedarf an barrierefreien Lösungen ist also bereits hier und wird in Zukunft noch weiter steigen, denn unsere Gesellschaft wird nicht jünger.
Quelle der Daten: Eurostat
Beeinträchtigungen sind ein Spektrum
Wenn von digitaler Barrierefreiheit die Rede ist, denkt man häufig in erster Linie an Menschen mit Sehbehinderungen. Diese Menschen sind natürlich auch teil der Betroffenen. Jedoch sind Beeinträchtigungen vielfältiger als im ersten Moment angenommen: Sie können körperlich, sensorisch oder psychisch sein.
Viele Beeinträchtigungen sind unsichtbar und für Andere oft nicht erkennbar. Wie stark sie sind und wie sie das Leben beeinflussen, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Manche haben eine leichte Sehschwäche, die sie mit einer Brille korrigieren können. Andere hingegen sind vollständig blind und benötigen daher digitale Hilfsmittel wie einen “Screenreader” oder spezielle “Braille-Tastaturen”. Aber auch die intellektuellen Fähigkeiten können beeinträchtigt sein. Das Spektrum reicht von leichten Lernschwierigkeiten bis hin zu schweren geistigen Behinderungen, die das Verstehen von Inhalten erschweren.
Inklusive Software hilft nicht nur Menschen mit dauerhaften Beeinträchtigungen, sondern auch vielen anderen. Auch Menschen mit vorübergehenden oder situationsbedingten Einschränkungen profitieren von barrierefreier Software. Hier zwei Beispiele:
Vorübergehende Beeinträchtigung: Ein gebrochener Arm heilt zwar, ist aber während der Zeit, in der ein Gips getragen werden muss, unbrauchbar.
Situationsbedingte Beeinträchtigung: Eine Person mit einem Kind auf dem Arm hat in diesem Moment keine Möglichkeit, den Arm für etwas anderes zu benutzen.
In beiden Fällen profitieren diese Menschen davon, wenn das tägliche Leben und jegliche digitalen Lösungen bereits barrierefrei gestaltet sind.
Wer ist vom Barrierefreiheitgesetz betroffen?
Der European Accessibility Act (EAA) ist die Richtlinie der EU und gibt Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen vor. Diese Richtlinie muss von den Mitgliedstaaten in das nationale Gesetz übernommen werden. In Deutschland spricht man daher vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), in Österreich hingegen vom Barrierefreiheitsgesetz (BaFG). Nicht nur die Grundlage ist dieselbe, sondern auch das Datum des Inkrafttretens: der 28. Juni 2025.
Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen einen gleichberechtigten Zugang zur digitalen und physischen Umgebung haben. Das bringt auch Vorteile für die Unternehmen, denn so ist es einfacher in verschiedenen EU-Ländern tätig zu werden. Außerdem wird so die Entwicklung neuer, barrierefreier Technologien gefördert. Barrierefreie Produkte und Dienstleistungen werden für mehr Menschen erschwinglich.
Welche Produkte und Dienstleistungen sind betroffen?
Produkte
Computer und Betriebssysteme
Smartphones und andere Kommunikationsgeräte
TV-Geräte im Zusammenhang mit digitalen Fernsehdiensten
Geldautomaten und Zahlungsterminals
E-Reader
Ticketing- und Check-in-Automaten
Dienstleistungen
Elektronischer Handel
Bankdienstleistungen
Telefonische Dienste
Websites und mobile Dienste
Elektronische Tickets
E-Bücher
Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten
Anrufe bei der europäischen Notrufnummer 112
Was versteht man unter barrierefreie Software?
Barrierefreie Software, auch zugängliche Software genannt, bezieht sich auf Software, die so gestaltet ist, dass sie von allen Benutzerinnen, einschließlich Menschen mit Beeinträchtigungen, genutzt werden kann. Barrierefreie Software zeichnet sich durch viele Aspekte aus:
Kompatibilität mit Hilfstechnologien: Die Software muss mit Hilfsmitteln wie Screenreadern, Braille-Tastaturen, Spracherkennungssoftware und alternativen Eingabegeräten kompatibel sein.
Tastaturnavigation: Alle Funktionen der Software müssen über die Tastatur ohne Maus bedienbar sein. Dies ist besonders wichtig für Menschen mit motorischen Einschränkungen.
Zugängliche Benutzeroberfläche: Die Benutzeroberfläche muss einen ausreichenden Kontrast bieten und darf keine zu kleine Schriftgröße verwenden, damit die Inhalte für alle lesbar sind.
Klare und konsistente Struktur: Eine klare Navigation und ein konsistentes Layout helfen allen Benutzern, sich in der Software zurechtzufinden, insbesondere aber Menschen mit kognitiven Einschränkungen.
Textalternativen für Nicht-Text-Inhalte: Bilder, Videos und andere nicht-textuelle Inhalte müssen durch Textalternativen ergänzt werden, damit auch Menschen mit Sehbehinderungen die Inhalte verstehen können.
Leichte Sprache: Die Verwendung von einfacher und klarer Sprache erleichtert es Menschen mit kognitiven Behinderungen oder Lernschwierigkeiten, die Inhalte der Software zu verstehen.
Feedback und Fehlermeldungen: Klare und verständliche Rückmeldungen sowie verständliche Fehlermeldungen helfen Nutzerinnen, Probleme zu erkennen und diese auch selbst zu beheben.
Diese Aspekte sind in Richtlinien und Standards wie den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) zusammengefasst, welche eine detaillierte Beschreibung bieten, inwiefern die Software und Webinhalte zugänglich sein müssen.
Wie sind Banken vom BFSG betroffen?
Bankdienstleistungen werden von allen Menschen benötigt - daher müssen sie auch für alle zugänglich sein. Bankdienstleistungen fallen in den Wirkungsbereich des BFSG und müssen den Anforderungen dessen entsprechen - digitale Lösungen müssen daher den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) bis Level AA entsprechen. Bei Nichteinhaltung drohen hohe Strafen (Bis zu 100.000 Euro für Verstöße).
Welche Bereiche sind betroffen?
Digitale Dienstleistungen:
Websites und mobile Anwendungen: Banken müssen sicherstellen, dass ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei gestaltet sind. Dies umfasst zum Beispiel die Kompatibilität mit Screenreader, klare Navigationsstrukturen, ausreichende Farbkontraste und die Bereitstellung von Alternativtexten für Bilder und Grafiken.
Online-Banking-Plattformen: Alle Funktionen von Online-Banking-Plattformen müssen für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen zugänglich sein. Dazu gehören auch die Möglichkeit der Tastaturnavigation und der Einsatz assistiver Technologien.
Physische Zugänglichkeit:
Bankfilialen: Filialen müssen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zugänglich sein. Dies umfasst rollstuhlgerechte Eingänge, Aufzüge, barrierefreie Toiletten und angemessene Beschilderung.
Geldautomaten: Geldautomaten müssen so gestaltet sein, dass sie von Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen genutzt werden können. Dies kann Bildschirmleseoptionen, Braille-Tastaturen, geeignete Höhen und Sprachunterstützung für Menschen mit Sehbehinderungen umfassen.
Kommunikation und Information:
Barrierefreie Dokumente: Banken müssen sicherstellen, dass wichtige Dokumente wie Kontoauszüge, Vertragsbedingungen und Informationsbroschüren in barrierefreien Formaten verfügbar sind.
Kundendienst: Der Kundendienst muss in der Lage sein, Menschen mit Beeinträchtigungen angemessen zu unterstützen.
Was sind die Vorteile einer barrierefreien Software?
Barrierefreie Software bietet eine Reihe von Vorteilen, die sowohl für die Nutzerinnen als auch für die Unternehmen von entscheidender Bedeutung sind. Sie ermöglicht den Zugang zu einer breiteren Zielgruppe, indem sie die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen und älteren Nutzerinnen berücksichtigt. Gleichzeitig wird die Benutzerfreundlichkeit für alle verbessert, da auf klare Strukturen und einfache Bedienbarkeit Wert gelegt wird.
Die Einhaltung von Zugänglichkeitsstandards bietet Unternehmen nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil. Darüber hinaus fördert barrierefreie Software das Markenimage und stärkt die Kundenbindung, da das Engagement für Inklusion positiv wahrgenommen wird.
Barrierefreie Software bringt klare wirtschaftliche Vorteile durch die Erweiterung der Nutzerbasis und die Senkung der Support-Kosten. Sie zahlt sich auch technologisch aus: Sie ist zukunftssicherer, da sie auf flexiblen, robusten Standards basiert, und sie fördert Innovationen durch die Notwendigkeit kreativer Lösungen.
Möchten Sie Ihre Software barrierefrei gestalten und dabei von den wirtschaftlichen und technologischen Vorteilen profitieren? Erfahren Sie hier mehr!
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Geschrieben von
Anna Großalber
UX Designerin
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